Glaub’ mir, ich war, wo du bist
und weiß, was es mit dir macht
doch wenn du lachst
kann ich es sehen
ich seh dich mit all deinen Farben
und deinen Narben
hinter den Mauern
ja, ich seh dich
lass dir nichts sagen
nein, lass dir nichts sagen
weißt du denn gar nicht
wie schön du bist?

 

+ Wie schön du bist – Sarah Connor +

 

Warum scheinen wir im Laufe unseres Lebens zunächst einmal zu vergessen, wie schön wir sind? Warum bereitet es uns solche Schwierigkeiten, unsere wahre Schönheit zu erkennen und anzunehmen? Warum können wir uns nicht selbst lieben und müssen als Erwachsene Selbstliebe-Kurse besuchen, um genau das wieder oder überhaupt erst mal zu lernen?

Wenn wir geboren werden, sind wir wie ein offenes, leeres Gefäß. Nur ganz tief unten auf dem Boden des Gefäßes befindet sich ein bisschen Kaffeesatz. Denn schließlich bringen wir ja alle bereits etwas mit in unser Leben: unsere genetischen Anlagen und vorgeburtliche Erfahrungen und Prägungen. Es ist nicht auszuschließen, dass wir Traumata aus unseren eigenen früheren Leben unbewusst in uns tragen. Weiterhin weisen neueste Forschungsergebnisse darauf hin, dass Kinder bereits pränatal, also vor ihrer Geburt, für ihr späteres Leben geprägt werden. Erlebt die Mutter beispielsweise während der Schwangerschaft sehr viel Stress und schüttet entsprechend Stresshormone aus, hinterlässt dies nachweislich Spuren im Gehirn des Ungeborenen und beeinflusst seine spätere Anfälligkeit für Stress.

 

Du bist ein leeres Gefäß

 

Nun aber zurück zu dem leeren Gefäß, das wir im Grunde genommen bei unserer Geburt sind. Dieses Gefäß füllt sich durch die Erfahrungen, die wir als kleine Kinder machen. Dass darunter nicht nur gute Erfahrungen sind, ist verständlich. Als kleine Kinder, und das ist wichtig zu wissen, nehmen wir alles, was passiert, eins zu eins und ungefiltert in unser Gefäß, also in uns auf. Alles, was uns die Erwachsenen in unserem Umfeld sagen, nehmen wir als richtig wahr und speichern es ungefragt ab. Auch Sätze wie “Du bist nicht gut genug. Das kannst du nicht. Dafür bist du noch zu klein. Du bist zu frech” strömen in unser offenes Gefäß und brennen sich als sogenannte Glaubenssätze in uns ein, besonders wenn sich solche Erfahrungen auch noch wiederholen.
Überlagert von späteren Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens machen, bleiben Sie ganz unten in unserem Gefäß haften. Sie verkleistern das wunderschöne Wesen, was wir eigentlich doch sind. Als Erwachsene stellen wir dann irgendwann fest, dass wir uns in bestimmten Situationen oder sogar grundsätzlich wertlos fühlen, Angst vor Ablehnung haben oder unseren Körper nicht schön genug finden. Ich möchte wetten, dass jede und jeder von uns solche Gedanken kennt.

 

Was wäre, wenn?

 

Genau aus diesem Grund frage ich mich als Mutter und Lehrerin, was eigentlich passieren würde, wenn wir den uns anvertrauten Kindern von Anfang an ermutigende, stärkende, liebevolle Erfahrungen und Gedanken in ihre Gefäße füllten? Wenn wir sie achtsam, wertschätzend und mit Respekt behandelten und sie als die einzigartigen Wesen sehen würden, die sie ohne Zweifel sind. Was, wenn wir ihnen sagten, dass wir sie sehen, dass wir verstehen, wie klein und hilflos sie sich manchmal fühlen? Was, wenn wir ihnen statt “das kannst du nicht” sagten, “das kannst du noch nicht”? Was, wenn wir sie lehrten, dass Fehler normal und wundervolle Gelegenheiten sind, etwas zu lernen? Was, wenn wir ihrer Kreativität keine Grenzen setzten? Was, wenn wir sie so akzeptierten und liebten, wie sie sind und ihnen nicht unsere eigene Ansicht vom Leben aufzwängten, sondern sie ihre eigene finden ließen. Was, wenn wir sie nicht länger bewerteten und in Kategorien einteilten, sondern ihnen Raum zur Entfaltung gäben?

Immer wieder erlebe ich Kinder und Jugendliche, die in gewisser Weise in sich gefangen sind. Ich sehe sie und fühle, dass sie an etwas leiden. Sei es an mangelnder Aufmerksamkeit, an Einsamkeit, an Eintönigkeit, an Reizüberflutung, an Orientierungslosigkeit oder an einem Trauma, dessen sie sich nicht bewusst sind. Und wenn es mir dann gelingt, durch etwas, das ich sage oder tue, durch diesen einen kurzen Moment der Verbindung ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern, kann ich ihre Farben sehen. Dann möchte ich ihnen zurufen: “Ich seh’ dich! Lass dir nichts sagen! Ich möchte sie fragen: “Weißt du denn gar nicht, wie schön du bist?”

 

Begreife, wie schön du bist

 

Nicht selten sage ich in solchen Momenten einen Satz wie “Du bist ein ganz tolles Mädchen. Du bist ein wundervoller Junge” und beobachte, wie dieser Satz zögerlich aufgenommen und skeptisch beäugt wird. Ich kann es förmlich spüren, wie dieser Satz sogleich von Zweifeln umzingelt wird: Das sagt die doch jetzt nur so. Das stimmt doch gar nicht. Was will die eigentlich von mir?

Ein grauer Schleier Ungläubigkeit legt sich über meinen farbenfrohen Satz. Aber ich gebe nicht auf. Ich sage diesen Satz und andere ermutigende Worte bei nächster Gelegenheit wieder. Und wieder. Und wieder. Weil es genau das ist, auf das es ankommt, nämlich, dass wir sie sehen. Dass wir sie sehen und ihnen unsere Aufmerksamkeit schenken. Denn Aufmerksamkeit ist ein wertvolles Geschenk, gerade in dieser digitalen Zeit, in der wir uns so schnell ablenken lassen von der nächsten Nachricht auf dem Smartphone oder vom nächsten Post in den Sozialen Medien.

Ich spreche mit meinen Kindern und meinen Schüler*innen darüber, wie zerstörend negative Glaubenssätze sind und dass wir unser Gefäß lieber mit förderlichen Sätzen füllen sollten: Ich bin immer gut genug. Ich bin richtig, so wie ich bin. Ich bin wundervoll.
Ich erinnere die Kinder und Jugendlichen daran, dass sie selbst darüber entscheiden können, welche Gedanken sie über sich selbst und das Leben denken. Und auch dich möchte ich heute daran erinnern.
Ich sehe dich. Lass dir nichts sagen. Es ist Zeit, dass du begreifst, wie schön, wie wunderschön du bist.

Hör dir hier gerne den Text als Podcastfolge an.

Song zur Podcast-Episode auf Spotify: Wie schön du bist – Sarah Connor

Shownotes

Song: Wie schön du bist
Singer: Sarah Connor
Songwriter: Peter Plate / Ulf Leo Sommer / Daniel Faust / Sarah Terenzi

Listen to the song

Intro/Outro Musik: https://ronaldkah.de/